Kapitel 6: Wetterlage im Alpenraum – Von Hochs, Tiefs und dem besonderen Föhn
Das Wetter in den Alpen ist oft eine spannende Angelegenheit! Mal scheint die Sonne von einem strahlend blauen Himmel, mal ziehen dichte Wolken auf und es regnet oder schneit tagelang. Diese Wetterunterschiede hängen von grossräumigen Wetterlagen ab, also von der Verteilung von Hoch- und Tiefdruckgebieten und den dazugehörigen Luftmassen und Fronten. Wir werden uns ansehen, wie man Wetterkarten liest, um solche Lagen zu verstehen, wie typische Tiefdruckgebiete (Zyklonen) entstehen und durchziehen, und was es mit dem berühmten Alpenföhn auf sich hat.
Eine erste Einführung, wie man Wetterkarten liest, findest du im "Arbeitsdossier - Woche 8" auf Seite 3 unter "Wie liest man eine Wetterkarte?". Dort werden auch die wichtigsten Symbole erklärt.
Die Wetterkarte: Ein Blick auf das aktuelle Geschehen
Die Bodenwetterkarte ist das wichtigste Werkzeug, um einen Überblick über das Wettergeschehen zu bekommen. Sie zeigt uns für einen bestimmten Zeitpunkt:
- Druckgebilde:
- Hochdruckgebiete (H): Gebiete mit hohem Luftdruck, oft verbunden mit ruhigem, sonnigem Wetter (aber im Winter auch mit Nebel oder Hochnebel). Die Luft strömt am Boden im Uhrzeigersinn aus einem Hoch heraus (auf der Nordhalbkugel).
- Tiefdruckgebiete (T): Gebiete mit tiefem Luftdruck, oft verbunden mit bewölktem, unbeständigem Wetter und Niederschlag. Die Luft strömt am Boden im Gegenuhrzeigersinn in ein Tief hinein (auf der Nordhalbkugel).
- Isobaren: Linien, die Orte mit gleichem Luftdruck verbinden. Je enger die Isobaren beieinander liegen, desto grösser ist der Druckunterschied und desto stärker ist der Wind. Die Luft strömt nicht direkt vom Hoch zum Tief, sondern durch die Corioliskraft (Erdrotation) abgelenkt, eher parallel zu den Isobaren.
- Fronten: Grenzen zwischen verschiedenen Luftmassen.
- Warmfront (rote Linie mit Halbkreisen): Warme Luft gleitet auf kältere Luft auf. Führt oft zu lang anhaltendem, leichtem bis mässigem Niederschlag (Landregen).
- Kaltfront (blaue Linie mit Dreiecken): Kalte Luft schiebt sich unter wärmere Luft und hebt diese rasch an. Führt oft zu kräftigen Schauern, Gewittern und einem Temperaturrückgang.
- Okklusion (lila Linie mit Halbkreisen und Dreiecken im Wechsel): Entsteht, wenn eine schnellere Kaltfront eine langsamere Warmfront einholt. Das Wetter ist oft eine Mischung aus Warm- und Kaltfrontcharakter.
- Stationsmeldungen: Kleine Symbole an Wetterstationen, die aktuelle Werte für Temperatur, Wind, Bewölkung, Niederschlag etc. anzeigen (im Detail nicht Schwerpunkt der vorliegenden Materialien, aber Teil einer vollständigen Wetterkarte).
Im "Arbeitsdossier - Woche 8" findest du auf den Seiten 4 bis 12 verschiedene Wetterkarten (Übung 1 bis 10), an denen du das Lesen üben kannst. Die Darstellung der Symbole für Fronten ist auf Seite 3 zu sehen.
Die Zyklone: Motor des unbeständigen Wetters
Viele unserer Wetterveränderungen in den gemässigten Breiten (wo die Schweiz liegt) hängen mit Zyklonen zusammen. Das sind ausgedehnte Tiefdruckgebiete, die sich an der Polarfront bilden – der Grenze zwischen kalter polarer Luft und warmer subtropischer Luft.
Die Entstehung und der Durchzug einer Zyklone (auch als Polarfrontzyklone oder Wellenzyklone bezeichnet) folgen einem typischen Lebenslauf:
- Wellenbildung: An der Polarfront entsteht eine wellenförmige Ausbuchtung. Der Luftdruck beginnt zu fallen.
- Entwicklung: Die Welle verstärkt sich, es bildet sich ein Tiefdruckzentrum mit einer vorauseilenden Warmfront und einer nachfolgenden Kaltfront. Der Bereich zwischen Warm- und Kaltfront wird Warmsektor genannt, hier herrscht oft vorübergehend wärmeres und freundlicheres Wetter.
- Okklusion: Die Kaltfront bewegt sich meist schneller als die Warmfront und holt diese schliesslich ein. Die warme Luft im Warmsektor wird vom Boden abgehoben. Dieser Prozess wird Okklusion genannt. Die Okklusionsfront bringt oft langanhaltende Niederschläge.
- Auflösung: Das Tiefdruckgebiet füllt sich langsam auf, die Druckunterschiede gleichen sich aus, und die Zyklone löst sich auf.
Der Durchzug einer Zyklone bringt typische Wetterabfolgen mit sich:
- Vor der Warmfront: Zunehmende hohe (Cirrus), dann mittelhohe (Altostratus, Altocumulus) und schliesslich tiefe (Nimbostratus) Bewölkung. Langsam einsetzender, anhaltender Niederschlag (Landregen). Luftdruck fällt.
- Im Warmsektor: Oft Auflockerungen, wärmer, eventuell leichter Niederschlag oder Dunst. Luftdruck bleibt tief oder fällt nur langsam.
- An der Kaltfront: Rasch aufziehende Quellwolken (Cumulonimbus), kräftige Schauer, oft Gewitter, böiger Wind, deutlicher Temperaturrückgang. Luftdruck beginnt zu steigen.
- Nach der Kaltfront (Rückseitenwetter): Oft wechselhaft bewölkt mit Schauern, aber auch Aufheiterungen. Kühle Luft. Luftdruck steigt weiter.
Die Entwicklung dynamischer Zyklonen und der Durchzug von Warm- und Kaltfronten mit den typischen Wettererscheinungen sind detailliert im Dokument "Wetterkarteninterpretation" (aus Arbeitsdossier Woche 8) auf den Seiten 105-108 beschrieben, inklusive aussagekräftiger Grafiken (Abb. 4-10, 4-11, 4-12).
Prüfungsfrage (aus Compendio Aufgaben, Arbeitsdossier Woche 8, S.18, Aufg. 77 A): Warum sinkt der Luftdruck beim Herannahen einer Warmfront?
Antwort einer gut vorbereiteten Schülerin: Beim Herannahen einer Warmfront sinkt der Luftdruck, weil die Warmfront den vorderen Teil eines Tiefdruckgebiets (einer Zyklone) markiert. Warme Luft ist spezifisch leichter als kalte Luft. Wenn die wärmere Luft auf die vor ihr liegende kältere Luft aufgleitet, wird die schwerere Kaltluft am Boden teilweise verdrängt. Die Luftsäule über dem Beobachter wird also insgesamt leichter, da sie zunehmend aus leichterer warmer Luft besteht. Der Warmsektor, der der Warmfront folgt, ist der Bereich mit dem tiefsten Druck innerhalb der Zyklone.
Diese Erklärung wird durch die Beschreibung des Luftdruckverlaufs während eines Frontdurchgangs im Dokument "Wetterkarteninterpretation", Seite 107, gestützt.
Prüfungsfrage (aus Compendio Aufgaben, Arbeitsdossier Woche 8, S.18, Aufg. 86): Weshalb fallen im Bereich des Vorderseitenwetters Landregen und im Bereich des Rückseitenwetters Schauerregen?
Antwort einer gut vorbereiteten Schülerin:
- Vorderseitenwetter (Warmfront): Hier gleitet warme Luft grossflächig und relativ langsam auf die vor ihr liegende kältere Luft auf (flach aufsteigende Luft). Diese langsame, grossräumige Hebung führt zur Bildung von Schichtwolken (Nimbostratus, Altostratus) und zu lang anhaltendem, gleichmässigem Niederschlag, dem Landregen. Alle Wolkentypen ziehen nacheinander durch.
- Rückseitenwetter (nach Kaltfrontdurchgang): Hier strömt kältere Luft ein. Diese ist oft labil geschichtet, was bedeutet, dass bei lokaler Erwärmung oder Hebung schnell vertikale Luftbewegungen und Quellwolken (Cumulus, Cumulonimbus) entstehen. Diese führen zu kurzzeitigen, aber oft intensiven Schauern. Es ist ein steilerer, vertikaler Kondensationsraum, und alle Wolkentypen können gleichzeitig vorkommen.
Die Lösung zu Aufgabe 86 im "Arbeitsdossier Woche 8" auf Seite 19 beschreibt dies als: "Vorderseite: Flach aufsteigende Luft, vorwiegend horizontale Luftbewegungen, alle Wolkentypen nacheinander; Rückseite: steiler, vertikaler Kondensationsraum, alle Wolkentypen miteinander".
Der Föhn: Ein besonderer Alpenwind
Der Föhn ist ein warmer, trockener Fallwind, der besonders im Alpenraum auftritt. Er entsteht, wenn feuchte Luftmassen auf ein Gebirge (wie die Alpen) treffen und gezwungen werden aufzusteigen.
Entstehung des Föhns (Südföhn als Beispiel für die Alpennordseite):
- Luv-Seite (z.B. Alpensüdseite): Feuchte Luft aus dem Süden steigt an den Alpen auf. Dabei kühlt sie sich ab (ca. 0,5 - 0,65°C pro 100m, feuchtadiabatisch). Erreicht sie den Taupunkt, kondensiert der Wasserdampf, es bilden sich Wolken (typisch: Föhnmauer) und es kommt zu Stauniederschlägen.
- Gebirgsüberquerung: Die Luft hat auf der Luv-Seite einen Grossteil ihrer Feuchtigkeit verloren.
- Lee-Seite (z.B. Alpennordseite): Die nun trockene Luft sinkt auf der Nordseite der Alpen ab. Beim Absinken erwärmt sie sich (ca. 1°C pro 100m, trockenadiabatisch).
Merkmale des Föhns im Tal auf der Lee-Seite:
- Deutlich höhere Temperatur als in der Umgebung (da die Erwärmung beim Absinken stärker ist als die Abkühlung beim Aufsteigen aufgrund des Feuchtigkeitsverlusts).
- Sehr geringe relative Luftfeuchtigkeit (trockene Luft).
- Oft böiger, starker Wind.
- Sehr gute Fernsicht.
- Typische Wolkenformationen: Föhnmauer auf dem Gebirgskamm, linsenförmige Wolken (Altocumulus lenticularis, auch Föhnfische genannt) im Lee, oft ein wolkenfreier Bereich direkt im Lee des Kammes (Föhnfenster oder Föhnlücke).
Es gibt auch Nordföhn auf der Alpensüdseite, der analog entsteht, wenn feuchte Luft von Norden herangeführt wird.
Die Aufgaben zum Föhn im "Arbeitsdossier - Woche 8" auf Seite 20 sowie die dazugehörigen Lösungen auf dem Lösungsblatt "Aufgaben Föhn" erklären die Temperaturänderungen und Wolkengattungen detailliert.
Prüfungsfrage (aus Arbeitsdossier Woche 8, S.20, Frage 1, adaptiert): Im Föhntal wehen trockene Winde. Die relative Luftfeuchtigkeit nimmt von der Bergspitze (100%) bei einem Höhenunterschied von 2000m bis auf eine Viertel im Tal (25%) ab. Wie ist das zu erklären?
Antwort einer gut vorbereiteten Schülerin: Die Abnahme der relativen Luftfeuchtigkeit beim Föhn erklärt sich so:
- Auf der Luv-Seite des Gebirges steigt feuchte Luft auf. Dabei kühlt sie ab. Wenn die Luft gesättigt ist (100% relative Luftfeuchtigkeit auf der Bergspitze), kondensiert der Wasserdampf, und es kommt zu Niederschlägen. Dadurch verliert die Luft einen grossen Teil ihrer ursprünglichen Feuchtigkeit.
- Wenn diese nun schon trockenere Luft auf der Lee-Seite absinkt, erwärmt sie sich trockenadiabatisch (ca. 1°C pro 100m).
- Warme Luft kann absolut gesehen mehr Wasserdampf aufnehmen als kalte Luft. Da die absolute Menge an Wasserdampf in der absinkenden Luft aber gering ist (weil sie ja auf der Luv-Seite ausgeregnet hat), die Temperatur aber stark ansteigt, sinkt die relative Luftfeuchtigkeit extrem ab. Die Luft wird also im Verhältnis zu ihrer Aufnahmekapazität immer trockener. So kann die relative Luftfeuchtigkeit von 100% auf dem Gipfel auf 25% oder weniger im Tal sinken.
Die Lösung zu dieser Frage im Dokument "Lösungen Föhn" (zu Arbeitsdossier Woche 8) lautet: "In der Höhe entleeren sich die gesättigten Luftmassen. Die weiter transportierte Luft ist trocken. Beim Absinken erwärmt sich die Luft, dabei nimmt die relative Feuchtigkeit stetig ab."
Prüfungsfrage (aus Arbeitsdossier Woche 8, S.20, Frage 3, adaptiert): Welche Wolkengattungen können Sie bei einer Föhnlage wo entdecken?
Antwort einer gut vorbereiteten Schülerin: Bei einer Föhnlage kann man typische Wolkengattungen beobachten:
- Luv-Seite (wo die Luft aufsteigt): Dichte, stauende Bewölkung, oft Stratus und Nimbostratus, die zusammen die sogenannte Föhnmauer bilden. Hier fällt Niederschlag.
- Lee-Seite (wo der Föhn weht): Oft ein wolkenfreier Streifen direkt hinter dem Gebirgskamm, das Föhnfenster. Weiter im Lee können sich linsenförmige Wolken bilden, die Altocumulus lenticularis (auch Föhnfische genannt), die durch Wellenbewegungen in der Luftströmung entstehen. Auch Altocumulus allgemein kann auftreten.
Die Lösung zu dieser Frage im Dokument "Lösungen Föhn" nennt: "Luv: Stratus, Nimbostratus (Föhnmauer). Lee: Altocumulus, Altocumulus lenticularis (Föhnfische), Föhnfenster".
Prüfungsfrage (aus Arbeitsdossier Woche 8, S.20, Frage 5): Wie wird die Wetterfühligkeit empfindlicher Personen (bei Föhn oder bei Wetterwechsel allgemein) erklärt?
Antwort einer gut vorbereiteten Schülerin: Die Wetterfühligkeit bei Föhn oder allgemeinen Wetterwechseln wird oft mit kleinen, aber raschen Schwankungen des Luftdrucks erklärt. Insbesondere an der Grenzschicht zwischen warmen und kalten Luftmassen (Fronten) oder bei turbulenten Windverhältnissen wie beim Föhn kann es zu wellenförmigen Luftbewegungen kommen. Diese verursachen minimale Druckunterschiede, die zwar nur im Bereich von Zehntel Hektopascal (0.1 hPa) innerhalb von Minuten liegen können, aber von empfindlichen Personen als Unwohlsein, Kopfschmerzen oder andere Symptome wahrgenommen werden könnten.
Im Lösungsdokument "Lösungen Föhn" werden als Ursachen genannt: "Kleine Schwankungen des Luftdrucks" und "Grenzschicht zwischen Warm- und Kaltluft -> wellenförmig -> kleinste Druckunterschiede (0.1 hPa innerhalb von 4 – 20 Min)".
Das Verständnis dieser Wetterlagen und Phänomene im Alpenraum hilft nicht nur bei der Planung von Outdoor-Aktivitäten, sondern auch, um die komplexen dynamischen Prozesse in unserer Atmosphäre besser zu begreifen.