Kapitel 3: Plattentektonik, Vulkanismus und Erdbeben – Die dynamische Erde

Unsere Erde ist keine starre Kugel, sondern ein unglaublich dynamischer Planet! Ihre Oberfläche ist ständig in Bewegung, auch wenn wir das meist nicht direkt spüren. Diese Bewegungen sind verantwortlich für einige der gewaltigsten Naturphänomene: die Entstehung von Gebirgen wie den Alpen, Vulkanausbrüche und Erdbeben. Die Theorie, die all diese Vorgänge erklärt, heisst Plattentektonik. Wir werden uns anschauen, wie diese Theorie entstanden ist, wie die Erde aufgebaut ist, um diese Bewegungen zu ermöglichen, und welche Folgen sie für uns hat.

Einen ersten Überblick über die Entstehungsgeschichte der Theorie und wichtige Fossilienbeweise findest du im "Arbeitsdossier - Woche 4" auf Seite 3 unter "Theorie der Plattentektonik – Kontinentaldrift".

Von wandernden Kontinenten zur Plattentektonik

Die Idee, dass Kontinente sich bewegen, war revolutionär. Alfred Wegener, ein deutscher Meteorologe und Astronom, stellte 1915 die These der Kontinentaldrift vor. Er bemerkte, dass die Küstenlinien von Südamerika und Afrika wie Puzzleteile zusammenpassen. Zusätzlich fand er:

Wegener schloss daraus, dass alle Kontinente einst einen riesigen Urkontinent namens Pangäa gebildet haben müssen, der später in Laurasia und Gondwana und dann in die heutigen Kontinente zerbrach. Lange Zeit wurde seine Theorie nicht anerkannt, weil er keinen überzeugenden Mechanismus für die Bewegung nennen konnte. Erst in den 1960er Jahren, mit der Entdeckung des Seafloor Spreading (Neubildung von Meeresboden), wurde die umfassendere Theorie der Plattentektonik wissenschaftlich akzeptiert und löste ältere Vorstellungen wie die Landbrücken-Theorie ab.

Die Übersicht über die Erdzeitalter und die Lage der Kontinente auf Seite 3 des "Arbeitsdossiers - Woche 4" (#29050 Räume und Strukturen, S.23) illustriert diese Entwicklung sehr gut.

Der Aufbau der Erde – Die Basis für Bewegung

Um zu verstehen, wie Platten sich bewegen können, müssen wir uns den inneren Aufbau der Erde ansehen. Stell dir die Erde wie eine Zwiebel mit verschiedenen Schalen vor:

Für die Plattentektonik sind zwei mechanische Schichten besonders wichtig:

Eine detaillierte Darstellung des Erdaufbaus mit Tiefenangaben und Materialeigenschaften findest du im "Arbeitsdossier - Woche 4" auf Seite 4, inklusive einer Grafik (Grafik: Hep, 2016: S. 112).

Prüfungsfrage (aus Arbeitsdossier Woche 4, S.8, Frage 3): Erklären Sie weshalb, die seismischen Wellen u.a. dazu dienen, Aussagen über den Aufbau der Erde zu machen.

Antwort einer gut vorbereiteten Schülerin: Seismische Wellen, die bei Erdbeben entstehen, breiten sich durch das Erdinnere aus. Ihre Geschwindigkeit und ihr Weg hängen von der Dichte und dem Aggregatzustand (fest, flüssig, plastisch) des Materials ab, das sie durchqueren. Wenn Wellen auf eine Grenzschicht zwischen Materialien mit unterschiedlichen Eigenschaften treffen, werden sie gebrochen oder reflektiert. S-Wellen (Scherwellen) können sich beispielsweise nicht in Flüssigkeiten ausbreiten. Durch die Analyse der Ankunftszeiten und der Art der seismischen Wellen an vielen Messstationen weltweit können Wissenschaftler auf den schalenartigen Aufbau der Erde mit ihren verschiedenen Schichten wie Kruste, Mantel (fest/plastisch), flüssigem äusserem Kern und festem innerem Kern schliessen. Die Asthenosphäre zum Beispiel verlangsamt die Wellen, was auf ihre Zähplastizität hindeutet.

Plattengrenzen: Wo die Erde aktiv ist

Die meiste geologische Aktivität – Gebirgsbildung, Vulkanismus, Erdbeben – findet an den Grenzen der Lithosphärenplatten statt. Es gibt drei Haupttypen:

1. Divergierende (konstruktive) Plattengrenzen

Hier bewegen sich zwei Platten voneinander weg. Es entsteht neuer Raum, der durch aufsteigendes Magma aus der Asthenosphäre gefüllt wird.

Folgen: Bildung neuer ozeanischer Kruste, flache Erdbeben, meist effusiver (ruhiger) Vulkanismus mit basischem Magma (z.B. Basalt, das Gestein aus dem Vulkane wie Schildvulkane entstehen).

Das Schema A im "Arbeitsdossier - Woche 4" auf Seite 6 zeigt eine divergierende Plattengrenze.

2. Konvergierende (destruktive) Plattengrenzen

Hier bewegen sich zwei Platten aufeinander zu. Was dann passiert, hängt von der Art der beteiligten Platten ab:

Schema C im "Arbeitsdossier - Woche 4" auf Seite 6 illustriert eine konvergierende Plattengrenze (Subduktion).

Prüfungsfrage (aus Übungsaufgaben Serie 1, Frage 3b & 3c): Welche tektonischen Platten sind verantwortlich für das Beben in der Türkei? Welche tektonische Bewegung vermuten Sie dort?

Antwort einer gut vorbereiteten Schülerin: Die Türkei liegt in einer komplexen tektonischen Region, wo mehrere Platten interagieren. Hauptsächlich sind die Anatolische Platte, die Arabische Platte und die Afrikanische Platte sowie die Eurasische Platte beteiligt. Die Arabische Platte drückt nach Norden gegen die Anatolische Platte und schiebt diese nach Westen entlang der Nordanatolischen und Ostanatolischen Verwerfung, die Transformstörungen sind, also konservative Plattengrenzen. Die Afrikanische Platte subduziert im Süden unter die Anatolische Platte. Das Erdbeben vom 6. Februar 2023 ereignete sich entlang der Ostanatolischen Verwerfung, was auf eine Transformbewegung (horizontales Vorbeigleiten) zwischen der Anatolischen und der Arabischen Platte hindeutet. Es kann aber auch zu Kompression und Aufschiebungen kommen.

3. Konservative Plattengrenzen (Transformstörungen)

Hier gleiten zwei Platten horizontal aneinander vorbei. Es wird weder neue Kruste gebildet noch alte zerstört (daher "konservativ").

Schema B im "Arbeitsdossier - Woche 4" auf Seite 6 zeigt eine Transformstörung.

Eine Liste wichtiger Fachbegriffe zur Plattentektonik, wie "Konstruktive Plattengrenze", "Subduktion", "Kollision", "Seafloor Spreading", "Mittelozeanischer Rücken" etc., findest du im "Arbeitsdossier - Woche 4" auf Seite 6. Es ist hilfreich, diese Begriffe zu kennen und anwenden zu können.

Vulkanismus: Feuer aus dem Erdinneren

Vulkanausbrüche sind eine direkte Folge der Plattentektonik (und von Hotspots). Die Art des Ausbruchs hängt stark von der Zusammensetzung und den Eigenschaften des Magmas (geschmolzenes Gestein unter der Erde) ab:

Ein Hotspot ist eine ortsfeste Magmaquelle im Erdmantel. Wenn eine Lithosphärenplatte darüber hinweggleitet, kann eine Kette von Vulkanen entstehen (z.B. Hawaii-Inseln).

Die Tabelle im "Arbeitsdossier - Woche 4" auf Seite 7 (aus dem Hep Buch) gibt eine gute Übersicht über den Chemismus, Vulkanismus und typische Vulkanite an verschiedenen Plattengrenzen und Hotspots. Es ist wichtig, zu jedem Plattenrand oder Hotspot ein konkretes Vulkanbeispiel zu kennen, wie dort gefordert.

Erdbeben: Wenn die Erde zittert

Erdbeben entstehen durch die plötzliche Freisetzung von aufgestauter Energie, meist durch Reibung an den Plattengrenzen.

Die freigesetzte Energie breitet sich in Form von seismischen Wellen aus. Es gibt verschiedene Typen:

Sie werden mit einem Seismometer (Seismograph) erfasst. Die unterschiedlichen Ankunftszeiten der Wellen erlauben die Ortung des Epizentrums.

Prüfungsfrage (aus Arbeitsdossier Woche 4, S.8, Frage 2): Nennen Sie die exemplarische Reihenfolge der seismischen Wellen, wie sie mittels Seismometer / Seismograph erfasst werden (es kann allerdings auch komplexe Überlagerungen des Wellentypen geben).

Antwort einer gut vorbereiteten Schülerin: Die exemplarische Reihenfolge, in der seismische Wellen von einem Seismometer erfasst werden, ist: zuerst die P-Wellen (Primärwellen), dann die S-Wellen (Sekundärwellen) und schliesslich die Oberflächenwellen. Dies liegt an ihren unterschiedlichen Ausbreitungsgeschwindigkeiten.

Erdbebenstärken messen: Magnitude vs. Intensität

Es ist wichtig, diese beiden Begriffe zu unterscheiden:

Im "Arbeitsdossier - Woche 4" auf Seite 8, Frage 4, werden die Eigenschaften der Richterskala im Vergleich zur Mercalli-Skala abgefragt.

Wo und wie tief bebt die Erde?

Prüfungsfrage (aus Arbeitsdossier Woche 4, S.8, Frage 1): Wo erwarten Sie Tief- bzw. Flachbeben? Womit hängt die Verteilung zusammen?

Antwort einer gut vorbereiteten Schülerin: Flachbeben erwarte ich an allen Arten von Plattengrenzen – also an divergenten, konvergenten und konservativen Grenzen. Sie entstehen in der spröden oberen Lithosphäre. Tiefbeben hingegen erwarte ich ausschliesslich an konvergenten Plattengrenzen, genauer gesagt an Subduktionszonen. Die Verteilung hängt damit zusammen, dass nur hier eine Lithosphärenplatte tief in den Erdmantel abtaucht und dabei bis in grosse Tiefen noch spröde genug ist, um durch Bruchvorgänge Erdbeben auszulösen.

Prüfungsfrage (aus Arbeitsdossier Woche 4, S.9, Frage 6): Führt ein Erdbeben mit Magnitude 7 auf der Richterskala in jedem Fall zu einer Katastrophe?

Antwort einer gut vorbereiteten Schülerin: Nein, ein Erdbeben mit Magnitude 7 auf der Richterskala führt nicht in jedem Fall zu einer Katastrophe. Obwohl dies ein starkes Beben mit erheblicher Energiefreisetzung ist, hängen die tatsächlichen Auswirkungen (das Katastrophenpotenzial) von mehreren Faktoren ab:

Ein Magnitude-7-Beben in einer dünn besiedelten Wüste oder sehr tief im Ozean mag kaum Schäden verursachen, während ein flacheres Beben gleicher Stärke unter einer Grossstadt verheerend sein kann.

Prüfungsfrage (aus Übungsaufgaben Serie 1, Frage 3d): Die stärksten Beben verzeichneten eine Magnitude 7.5 bzw. 7.8 auf der Richter Skala. Erklären Sie, was die Magnitude bedeutet.

Antwort einer gut vorbereiteten Schülerin: Die Magnitude auf der Richterskala gibt die Stärke eines Erdbebens an, also die Menge an Energie, die am Hypozentrum freigesetzt wurde. Sie wird aus der maximalen Amplitude (dem grössten Ausschlag) der seismischen Wellen berechnet, die von Seismographen aufgezeichnet werden, unter Berücksichtigung der Entfernung zum Epizentrum. Die Richterskala ist logarithmisch, das bedeutet, dass ein Anstieg um eine ganze Stufe (z.B. von 6 auf 7) eine etwa 32-fach höhere Energiefreisetzung bedeutet. Eine Magnitude von 7.5 oder 7.8 kennzeichnet also sehr starke Erdbeben mit einer erheblichen Freisetzung von Energie.

Die Plattentektonik ist ein faszinierendes Konzept, das uns hilft, die "lebendige" Natur unseres Planeten und viele seiner beeindruckendsten, aber auch gefährlichsten Erscheinungen zu verstehen.