1.1 Einführung in die Biologie
Definition Biologie
Die Biologie ist die Lehre des Lebens. Sie ist die Naturwissenschaft, die sich mit allgemeinen Gesetzmässigkeiten des Lebendigen, den Besonderheiten der Lebewesen, ihrer Organisation, Entwicklung sowie ihren vielfältigen Strukturen und Prozessen befasst.
Kennzeichen des Lebens (Teil 1/3)
- Zelliger Aufbau: Alle Lebewesen sind aus Zellen aufgebaut.
- (Fort-)Bewegung: Ortswechsel oder Bewegung von Körperteilen aus eigenem Antrieb.
- Wachstum: Messbare Grössenveränderung.
- Reizbarkeit: Fähigkeit, auf Reize aus der Umwelt zu reagieren.
Kennzeichen des Lebens (Teil 2/3)
- Fortpflanzung: Erzeugung der nächsten Generation (sexuell oder asexuell/vegetativ).
- Stoffwechsel:
- Aufnahme, Verarbeitung und Abgabe von Stoffen.
- Baustoffwechsel: Produktion von Stoffen zum Aufbau/Erneuerung.
- Betriebsstoffwechsel: Freisetzung von Energie.
- Unterscheidung: autotroph (selbsternährend, z.B. Fotosynthese) vs. heterotroph (fremdernährend).
- Exkretion: Abgabe körpereigener Stoffwechselendprodukte und körperfremder Stoffe.
Kennzeichen des Lebens (Teil 3/3)
- Vererbung und Mutabilität:
- Vererbung: Weitergabe der Bauanleitung (Erbmaterial) an Nachkommen.
- Mutabilität: Fähigkeit des Erbmaterials, sich zufällig zu verändern. Mutagene (z.B. UV-Strahlung) können dies beeinflussen. Mutabilität ist ein wichtiger Evolutionsfaktor.
- Vielfalt: Lebewesen zeigen eine charakteristische Gestalt, die innerhalb von Grenzen variiert, geprägt durch Vererbung und Umwelt.
- Regulation: Fähigkeit, auf Störungen zu reagieren und innere Zustände stabil zu halten (Homöostase).
- Umweltabhängigkeit: Lebewesen sind an ihre Umwelt angepasst und nur in einer optimalen Umwelt optimal lebensfähig.
Organisationsstufen des Lebens
Leben ist hierarchisch strukturiert:
- Moleküle / Teilchen
- Zellorganellen
- Zellen
- Gewebe
- Organe & Organsysteme
- Organismus
- Population
- Lebensgemeinschaft (Biozönose)
- Ökosystem
- Biosphäre
1.2 Stoffe des Lebens (Biomoleküle)
Organische vs. Anorganische Stoffe
Organische Stoffe: Sind Kohlenstoffverbindungen (Ausnahme: CO₂, Carbonate gelten als anorganisch). Sie sind meist brennbar und nicht hitzebeständig. Alle vier Hauptstoffgruppen des Lebens sind organisch.
Anorganische Stoffe: Enthalten i.d.R. keinen Kohlenstoff (z.B. Wasser, Salze, CO₂).
Makromoleküle: Riesenmoleküle, die durch Verknüpfung vieler kleinerer Bausteine (Monomere) entstehen.
Fette (Lipide)
- Bausteine: 1 Molekül Glycerin + 3 Moleküle Fettsäuren.
- Bedeutung:
- Betriebsstoff (energiereich)
- Reservestoff (Energiespeicher)
- Baustoff (z.B. für Zellmembranen)
- Isolation (Wärme, elektrisch bei Nerven)
Kohlenhydrate (Saccharide)
- Bausteine: Einfachzucker (Monosaccharide), z.B. Glucose (Traubenzucker), Fructose (Fruchtzucker).
- Formen:
- Monosaccharide: z.B. Glucose.
- Disaccharide: Zwei Einfachzucker, z.B. Rohrzucker (Saccharose = Glucose + Fructose).
- Polysaccharide: Viele Einfachzucker, z.B. Stärke (Pflanzen), Glykogen (Tiere, Pilze), Zellulose (Pflanzenzellwand).
- Bedeutung:
- Betriebsstoff (schnelle Energie, v.a. Glucose)
- Reservestoff (Stärke, Glykogen)
- Baustoff (Zellulose)
Eiweisse (Proteine)
- Bausteine: Aminosäuren (ca. 20 verschiedene Typen). Die Reihenfolge und Anzahl bestimmt das spezifische Protein.
- Bedeutung:
- Baustoffe (Muskeln, Haare, etc.)
- Enzyme (Biokatalysatoren, beschleunigen Stoffwechselreaktionen)
- Transport (z.B. Hämoglobin für Sauerstoff)
- Hormone (manche)
- Antikörper (Immunabwehr)
Nukleinsäuren (z.B. DNA, RNA)
- Bausteine: Nukleotide.
- Aufbau eines Nukleotids (DNA):
- Zucker (Desoxyribose)
- Phosphatgruppe
- Eine von vier organischen Basen: Adenin (A), Thymin (T), Guanin (G), Cytosin (C)
- DNA-Struktur: Doppelhelix (zwei komplementäre, spiralig verdrehte Nukleotidstränge). Basenpaarung: A mit T, G mit C.
- Bedeutung:
- Informationsspeicher (genetische Information für den Bau von Proteinen)
- Botenstoffe (RNA)
1.3 Die Zelle – Bau und Funktion
Mikroskopie
Lichtmikroskop (LM): Erlaubt Beobachtung lebender Zellen, Auflösung begrenzt. Macht Zellwand, Zellmembran (als äußere Linie), Zellkern, Zytoplasma, Chloroplasten, Vakuole, Mitochondrien (gerade noch) sichtbar.
Elektronenmikroskop (EM): Höhere Auflösung, zeigt feinere Strukturen (Zellorganellen wie ER, Golgi, Ribosomen). Beobachtung nur von toten, speziell präparierten Zellen.
Grössenverhältnisse: Die Zelle ist der Grundbaustein. Zellorganellen sind kleiner. Moleküle sind noch kleiner.
Pflanzenzelle – Aufbau und Funktionen (LM)
- Zellwand: Äußere, starre Hülle; Stütze und Schutz. Besteht hauptsächlich aus Zellulose.
- Zellmembran (Plasmalemma): Liegt innen an der Zellwand; regelt Stoffaustausch, grenzt Zytoplasma ab.
- Zytoplasma (Grundplasma): Wässrige Grundsubstanz mit gelösten Stoffen und eingebetteten Zellorganellen.
- Zellkern (Nukleus): Enthält Erbgut (DNA); Steuerzentrale der Zelle.
- Chloroplasten: Grüne Organellen; Ort der Fotosynthese.
- Mitochondrien: "Kraftwerke" der Zelle; Ort der Zellatmung, Energieumwandlung (ATP-Produktion).
- Vakuole (große, zentrale): Speicher für Wasser, Nährstoffe, Abfallstoffe; erzeugt Turgordruck (Zellinnendruck).
Weitere Organellen (EM-sichtbar):
Dictyosom (Teil des Golgi-Apparats), Vesikel, Ribosomen, Endoplasmatisches Retikulum (ER – glatt & rau), Mikrotubuli, Mikrofilamente.
Tierzelle – Aufbau und Funktionen (LM)
- Zellmembran: Äußere Begrenzung; regelt Stoffaustausch.
- Zytoplasma (Grundplasma): Wässrige Grundsubstanz mit Zellorganellen.
- Zellkern (Nukleus): Enthält Erbgut; Steuerzentrale.
- Mitochondrien: Ort der Zellatmung, Energieumwandlung.
Unterschiede zur Pflanzenzelle: Tierzellen besitzen keine Zellwand, keine Chloroplasten und keine große Zentralvakuole (höchstens kleine Vesikel).
Zellorganellen – Typen
Ein Zellorganell ist ein strukturell abgegrenzter Bereich innerhalb einer Zelle mit einer spezifischen Funktion.
- Organellen mit Doppelmembran: Enthalten eigenes Plasma und oft DNA.
- Zellkern
- Mitochondrien
- Plastiden (z.B. Chloroplasten bei Pflanzen)
- Organellen mit einfacher Membran: Umschließen nicht-plasmatische, wässrige Lösungen.
- Vakuole (Pflanzen)
- Vesikel
- Endoplasmatisches Retikulum (ER)
- Golgi-Apparat
- Organellen ohne Membran: z.B. Ribosomen, Zentriolen, Zytoskelettanteile.
1.4 Membranen
Funktion und Vorkommen von Membranen
Membranen (Biomembranen) sind essentiell für Zellen:
- Abgrenzung: Trennen das Zellinnere von der Umgebung (Zellmembran) oder unterteilen die Zelle in Reaktionsräume (Kompartimentierung durch Organellmembranen).
- Stoffaustausch: Kontrollieren selektiv den Transport von Stoffen in die Zelle/Organelle hinein und hinaus.
Vorkommen in Pflanzenzellen: Zellmembran, Zellkernmembran, Chloroplastenmembran, Mitochondrienmembran, Vakuolenmembran (Tonoplast), ER-Membran, Golgi-Membran.
Vorkommen in Tierzellen: Zellmembran, Zellkernmembran, Mitochondrienmembran, ER-Membran, Golgi-Membran, Membranen von Vesikeln.
Aufbau von Biomembranen – Flüssig-Mosaik-Modell
Das EM-Bild einer Membran erscheint oft 3-schichtig, sie besteht aber tatsächlich aus zwei Molekülschichten (Doppellipidschicht).
- Doppellipidschicht (Lipid-Bilayer):
- Grundstruktur aller Biomembranen.
- Besteht hauptsächlich aus Phospholipiden.
- Phospholipide haben einen hydrophilen ("wasserliebenden") Kopf und zwei lipophile ("fettliebende") Schwänze.
- Anordnung: Hydrophile Köpfe zeigen nach außen (zum wässrigen Milieu) und nach innen (zum Zellinneren/Organellinneren). Lipophile Schwänze zeigen zueinander und bilden das hydrophobe Innere der Membran.
- Ist zähflüssig, Lipide und Proteine sind darin beweglich.
- Membranproteine:
- Sind in die Doppellipidschicht eingelagert oder durchspannen sie vollständig ("schwimmen" im Lipidfilm).
- Vielfältige Funktionen: Transport von Stoffen (Tunnelproteine, Carrierproteine), Rezeptoren, Enzyme, Zellverbindungen.
- Kohlenhydrate (Glykokalyx):
- Oft an Proteine (Glykoproteine) oder Lipide (Glykolipide) auf der Außenseite der Zellmembran gebunden.
- Funktionen: Zellerkennung (z.B. Immunsystem), Zellkommunikation, Schutz.
1.5 Der Zellkern
Bedeutung des Zellkerns – Schirmalgenexperimente
Experimente mit Schirmalgen (Acetabularia) von Joachim Hämmerling zeigten die zentrale Rolle des Zellkerns:
- Regenerationsexperimente: Teile ohne Kern konnten nur begrenzt regenerieren. Teile mit Kern konnten vollständig regenerieren.
- Transplantationsexperimente: Wurde der Kern einer Art in den Stiel einer anderen Art transplantiert, entwickelte sich ein Hut, der typisch für die Art des Kernspenders war.
- Schlussfolgerung: Der Zellkern steuert die Entwicklung und die Merkmale der Zelle. Er enthält die genetische Information.
Aufbau des Zellkerns (Nukleus)
- Kernhülle: Besteht aus einer Doppelmembran, die das Kerninnere vom Zytoplasma abgrenzt. Sie ist mit dem Endoplasmatischen Retikulum verbunden.
- Kernporen: Zahlreiche Poren in der Kernhülle, die den kontrollierten Stoffaustausch zwischen Kern und Zytoplasma ermöglichen (z.B. mRNA hinaus, Proteine hinein).
- Kernplasma (Karyoplasma): Die Grundsubstanz im Inneren des Kerns.
- Nukleolus (Kernkörperchen): Ein oder mehrere dichte Körperchen im Kernplasma; Ort der Ribosomenbildung.
- Chromatin: Das Erbmaterial der Zelle, bestehend aus DNA und assoziierten Proteinen (Histonen). Liegt in der Interphase als Fadengeflecht vor.
Genom und Aufbau des Erbguts
- Genom: Die gesamte genetische Information (Erbgut) in einem Zellkern (bzw. einer Zelle).
- DNA (Desoxyribonukleinsäure): Das Molekül, das die genetische Information speichert. Ein langer Faden aus Nukleotiden.
- Gen: Ein spezifischer Abschnitt auf der DNA, der die Information für den Bau eines bestimmten Proteins (oder einer funktionellen RNA) enthält. Die Sequenz der Nukleotide codiert diese Information.
- Chromatin: Der Komplex aus DNA und Proteinen (hauptsächlich Histone, die der Verpackung und Regulation der DNA dienen). Dies ist die entspiralisierte Arbeitsform des Erbguts während der Interphase, in der Gene abgelesen werden können.
- Chromosom: Stark kondensierte (spiralisierte) Form des Chromatins. Diese kompakte Struktur ist die Transportform des Erbguts während der Zellteilung (Mitose und Meiose), um eine fehlerfreie Verteilung auf die Tochterzellen zu gewährleisten.